Montag, 15. Dezember 2014

Brunichild - verehrt, geliebt/gehasst, gevierteilt, 2. Teil


Die hohe Zeit der Brunichild und ihr Ende

Brunichild, nun Regentin Austrasiens für den unmündigen Sohn, erkannte, dass Adel und Geistlichkeit, im ständigen Kampf um reiche Pfründe und Macht, im diplomatischen Intrigenspiel unsichere Faktoren waren, kein fester Boden, auf den sich ein Königtum gründen konnte und strebte die Stärkung der königlichen Macht durch ihre Zentralisierung an, eine Maßnahme die nach und nach die austrasischen "leudes", die sich in ihrer Einflussnahme und Macht beschränkt sahen, in 2 Lager spaltete.
579 heiratete Ingunde, die älteste Tochter Brunichilds aus der Ehe mit Sigibert ,den westgotischen Prinzen Hermenegild, der auf Wunsch seiner merowingischen Frau zum römisch-katholischen Glauben konvertiert war, eine Handlung, die den König Leovigild, arianischen Glaubens, mit der Witwe Athanagilds - also der Mutter Brunichilds - verheiratet, zum Kampf gegen den Sohn herausforderte, ihn 583/584 vor Sevilla belagernd. Hermenegild, der um das Leben von Frau und Sohn fürchtete, unterstellte beide dem Schutz oströmischen Kaisers Mauricius, der 585 die Herausgabe Ingundes und ihres Sohnes von den Westgoten forderte, was auch gewährt wurde. Ingunde, deren Mutter Brunichild vergeblich auf Unterstützung durch die Großen Austrasiens bei der Befreiung der Tochter "in Marokko" bat, verstarb auf dem Weg nach Byzanz in Karthago. Athanagild, der Enkel, lebte allerdings bis zu seinem Tode am Hof von Byzanz, trotz der ständigen Bitten der Großmutter Brunichild an die Kaiserin Anastasia, den Enkel doch wieder in seine Heimat zurückzusenden. Hermenegild starb im Jahre 586 und ging als der "heilige Hermenegild" in die Annalen ein.
Während Brunichild in Austrasien versuchte, die Macht des Königs zu sichern, wütete in Neustrien die Megäre auf dem Königsthron, Fredegunde. Im Jahre 580 erreichte sie, dass Chilperich seinen letzten lebenden Sohn aus der Ehe mit Audovera gefangen nahm und ihn Fredegunde unterstellend, in Noisy-le-Grand einkerkern ließ. Chlodowech starb dort infolge eines Mordauftrags der Fredegunde (dem Vater wurde der Tod des Sohnes als Selbstmord dargestellt), im gleichen Jahr wurde Audovera im Kloster von Le Mans ermordet, so dass die Schätze dieser Merowinger-Sippe der Fredegunde in die Hände fielen. In diesem unseligen Jahr 580 schien sich Fredegunde auch zum Mord an ihrer Tochter Rigunth entschlossen zu haben. Einerseits wird von Handgreiflichkeiten zwischen Mutter und Tochter berichtet, andererseits davon, dass Fredegunde ihre Tochter bewogen habe, sich aus der Schatztruhe etwas auszuwählen und sie habe, als sich Rigunth über die geöffnete Truhe beugte, versucht, sie mit dem gewaltmäßigen Schließen des Deckels zu erwürgen. In letzter Minute habe die Dienerschaft Rigunth retten können.
Mordversuch der Fredegunde an Tochter Rigunth
Das nächste Jahr 581 brachte Brunichild in Schwierigkeiten. Ein Teil der "leudes" hatte sich, unter der Führung des Aegidius, Bischof von Reims, auf die Seite Chilperichs geschlagen und brachte Brunichild und König Childerich in eine prekäre Lage. Zur besseren militärischen Kontrolle der Abtrünnigen hatte Brunichild den Ducatus Champagne errichtet, Reims und Chalons umfassend, und dem Getreuen Lupus unterstellt, der 581 ermordet wurde. Der Abrünnige Wintrio übernahm an seiner statt den Ducatus. Brunichild entgegnete wirkungsvoll mit der Entfernung des Bischofs Aegidius und Berufung des Lupus-Sohnes Romulfus auf den Bischofsstuhl von Reims.
Chilperich und Fredegunde
584. Der Westgotenkönig Leovigild bat Chilperich I um die Hand seiner Tochter Rigunth für den Sohn Rekkared. Rigunth begab sich, mit reichen Schätzen von der Mutter ausgestattet, und einem Heer von Bediensteten unter Waffen vom Vater auf den Weg nach Toledo, das sie nie erreichte. Chilperich wurde ermordet. Rigunth konnte unter diesen Umständen nicht mehr weiterreisen und trat den Rückweg nach Neustrien an. Die Austrasier, die Gunst der Stunde nutzend, eroberten in einem Überfall die wohl unrechtmäßigen Schätze aus dem Bestand der Fredegund zurück. Es sei Sigiberts, also der austrasische Königsschatz, war die Begründung.
Anders als bei Sigiberts Tod in Austrasien bricht das neustrische Reich nach dem Tod Chilperichs zusammen, die "leudes" Neustriens stehen nicht an Fredegundes Seite bzw. zu dem erst 4 Monate alten Thronerben Chlotar. Auch Fredegunde begibt sich in den Schutz König Guntchramns/Gunthrams von Burgund, der 577 den minderjährigen Sohn seines Bruders Sigibert Childerich zum Schutze adoptierte. Fredegund muss hingegen 300 Große Neustriens bemühen, die die Legitimität Chlotars beschwören, ehe Guntram seinen Schutz gewährt.
Merowingische Fibeln
Ein merkwürdiger Zufall dieser Tod Chilperichs, der kurz vor einer Einigung mit Childebert stand. Genauso merkwürdig dieser Zufall, der die Hochzeitspläne Rigunths zerschlug - sollte der Königsschatz wieder nach Neustrien zurückkehren und das Land nicht verlassen?
587 Der von Fredegund geplante Mord an Childebert II. - er sollte einem ähnlichen Angriff wie Sigibert zum Opfer fallen - wurde von Brunichild vereitelt.
Dies war der Anlass für den Vertrag von Andelot, der im November 587 zwischen Gunthram einerseits, Childebert und Brunichild andererseits geschlossen wurde, mit der Ernennung Childeberst als Erben des Burgundenkönigs.
Siegel Rekkareds
588/89 Rekkared, Prinz der Westgoten (der jüngere Sohn Leovigilds), bietet Childerich II. und Brunichild zur Aussöhnung 100000 solidi für die Unbilden, die Ingunde aufgrund der westgotischen Verfolgung erlitten hatte und bittet um die Hand Chlodosinths, der jüngeren Schwester Ingundes, die Gunthram als Vormund 588 nur widerwillig gewährt. Aber die Hochzeit kommt dennoch nicht zustande, die Burgunden trauen dem Westgoten nicht, der als Hauptverfolger Ingundes und Hermenegilds sich ursächlich für deren Tod verantwortlich zeichnen muss. Um die merowingische Prinzessin Chlodosinth/Chlodoswinth, die auch vom langobardischen Erben beworben wurde, schweigen die Quellen nach 589.
Um 590 wird Childebert wieder in einen Krieg gegen die Langobarden verwickelt. Die austrasischen Großen vertreiben Brunichild aus Austrasien, die sich an den burgundischen Hof flüchtet.
593 tritt der Erbfall ein, König Gunthram stirbt, Childebert II. ist nun König von Austrasien und Burgund.
596 Childebert II. stirbt mit nur 26 Jahren (möglicherweise ebenfalls unnatürlichen Todes), die minderjährigen Enkel Brunichilds Theudebert und Theuderich erben Austro-Burgund, Brunichilds große Zeit als Regentin für die Enkel beginnt.
Siegelring Childerichs

597 stirbt Fredegunde und hinterlässt ihren Sohn Chlotar II. in dem gleichen unbändigen Hass gegen Brunichild. Im gleichen Jahr greifen die Enkel Brunichilds den Sohn der Fredegunde an und drängen ihn in der Schlacht von Dormelles um das Jahr 600 auf einem schmalen Streifen Neustriens zurück - ihm verbleiben nur die Gaue Rouen, Beauvais und Amiens.
Um 600 wird im Ducatus Champagne Wintrio ermordet, angeblich auf Veranlassung Brunichilds, was aber nicht dem Wesen der Königin entspricht; es wäre ihr erster Auftragsmord und auch ihr letzter gewesen, doch das Gerücht fasst Fuß und bildet den Auftakt zum Ende Brunichilds.
Fredegunde, ihr Blick spricht Bände
Die Allianz der merowingischen Brüder Theudebert (Austrasien) und Theuderich (Burgund) hält nur bis etwa 604. Durch Theudebert II. kommt es zu Grenzüberschreitungen im Elsass, um 605 wird gerade noch ein Krieg verhindert. Zu einem Versöhnungstreffen 610 bei Seltz erscheint Theudebert mit einem Heer und hat so den Vorteil auf seiner Seite, er muss sich allerdings 611 mit einem Krieg gegen die Awaren beschäftigen, was nun von Theuderich seinerseits 612 ausgenutzt wird. Er schlägt seinen Bruder zunächst bei Toul und dann bei Zülpich. Bei der Gefangennahme Theudeberts versucht Brunichild vergebens das Schlimmste zu verhindern. Theuderich erschlägt Theudebert, der im Verdacht stand, die eigene Ehefrau Bilichild ermordet zu haben, und dessen Sohn.
Blitzschnell reagiert Brunichild und ernennt den Urenkel Sigibert II., den Sohn Theuderichs, zum Herrscher über Austrasien, um selbst wieder einmal die Regentschaft zu übernehmen. Dieser Schachzug schlägt fehl. Die "leudes" der Austrasier, die sich übergangen fühlen, stellen sich nun offen gegen Brunichild, sie rufen Chlotar II. ins Land und als es 613 zur Schlacht kommt, verweigern auch die Burgunden ihrem König den Dienst und bleiben tatenlos.
Portrait Chlotar II.
Zu der Fehleinschätzung Brunichilds kommt noch die Folge von Theuderichs Auseinandersetzung mit St. Columban von Luxeuil hinzu. Dieser, um die Legitimierung der Söhne Theuderichs gebeten, verweigert diese für den König wichtige Handlung, Theuderich verweist den Heiligen des Landes, der nach Italien zieht. Der Unmut von Adel und Geistlichkeit  gegen die austro-burgundischen Herrscher dient als Quelle geheimer und offener Empörungen und führt  in der Summe der Fehlentscheidungen schließlich zum Eklat.
Theuderich lässt 613 sein Leben. Brunichild wird mit Theudelinda, einer Schwester Theuderichs, in Orbe bei Neuchâtel von dem burgundischen Hausmeier verraten und an Chlotar II. ausgeliefert. Chlotars Rache ist fürchterlich. Zwei von Theuderichs Söhnen lässt er sofort ermorden, lediglich Merowech, sein Patensohn wird verschont. Childebert gelingt die Flucht. Über Brunichild hält Chlotar Gericht. Sie soll den Tod von 10 Merowinger-Königen verschuldet haben (paradoxer Weise sogar den von Sigibert I.), es folgen Folterungen und schließlich die Tötung der 63-jährigen Königin: Mit dem Haupthaar, einem Arm und einem Bein an den Schweif eines Pferdes gebunden wird sie zu Tode geschleift bzw. von den Hufen zerschlagen bis - wie es wörtlich heißt - "die einzelnen Glieder abgefallen sind".
Tod der Brunichild 613


Vorbei waren sie die glänzenden Tage von Metz, vorbei aber auch der 50 Jahre währende Krieg nach der Reichsteilung im Jahre 561 unter den Söhnen Chlotar I. Brunichilds angestrebte Reichseinheit konnte Chilperichs Sohn verwirklichen: Alle merowingischen Konkurrenten waren getötet, die Reiche fielen ihm in den Schoß. Doch nach 10-jähriger Regierungszeit - die Regierung der Reiche gestaltete sich wohl schwieriger als er angenommen hatte - überantwortete er 923 Austrasien seinem Sohn Dagobert I., der in der Nachfolge seines Vaters ab  929 als Dagobert, der Gute. in die Annalen der Geschichte einging.

Unterschrift Dagoberts





Dagobert, der Gute






Nicht nur Kriege hat Brunichild geführt, viele Orts- und Kirchengründungen gehen auf sie zurück, einige von ihnen blieben im Gedächtnis der Zeit bewahrt:
Bruniquel
Bruniquel (Frankreich): Die Burg des Ortes soll von Brunichild erbaut worden sein.



 
                                                                                                                                        .
 Kirche zu den Heiligen Chrispinus und Chrispinianus in Lisdorf (Stadtteil von Saarlouis): Wie die Fama erzählt, etwa 570 durch Sigibert I. und Brunichild gegründet mit Überführung der Gebeine der beiden merowingischen Heiligen

Kirche in Lisdorf im ehem. Bliesgau




Autun, der Ort, an dem Chlotar II. Brunichild nach ihrem Tod in der von ihr gegründeten Kirche St. Martin mit königlichen Ehren bestatten ließ.






Der Dom zu Worms - hier ein Bild von 1901 - soll auf eine Gründung der Brunchild um das Jahr 600 zurückgehen, hier in Rot die merowingische Basilika - aus einer ehemals römischen Anlage erbaut.




Fast sagenhaft erreicht uns die Geschichte aus alten Zeiten, sagenhaft das Leben einer großen Königin, ungerecht und ungesühnt erscheint uns in heutiger Zeit ihr Untergang. Doch bedenkt man es recht, liegt die Ursache dieses 60jährigen Bruderkrieges in der unbändigen Gier, dem Hass, der Eifersucht und dem Neid eines einzelnen Menschen, einer Wahnsinnigen auf dem Königsthron und erinnert daran, dass sich auch heutigentages die Ursache für moderne Kriege offenbar nie verändert hat.

Sagenhaft zeigen sich auch die Spekulationen über den Ursprung der Nibelungensage. Viele sehen in Sigibert I. den Helden Siegfried der Nibelungensage. Auch der Kampf der Königinnen zeigt sich in umgekehrter Form zwischen Fredegund und Brunichild. Allerdings wurde der Name Kriemhild von der Frau Sigiberts III. Chimnehild entlehnt. Der Dom zu Worms, der eine tragende Rolle im Nibelungenlied spielt, wurde um 600 in einer frühen einfachen Form von Brunichild gegründet. Die berühmte Tarnkappe könnte von der wundertätigen Capa St. Martins herrühren, die in der Volksfrömmigkeit der Merowinger eine große Rolle spielte. Als Hunnen wurden von den Merowingern die Awaren bezeichnet, gegen die sie häufig ihr Land verteidigen mussten. Auch Brunichild heiratet wieder wie die Kriemhild, um ihre Rache zu vollenden. Wie die Kriemhild der Sage geht letztlich auch Brunichild an der Verfolgung ihrer Rachepläne unter.




 Szene aus der Nibelungen-Sage im Rathaussaal von Passau





Mittwoch, 12. November 2014

Brunichild - verehrt, geliebt/gehasst, gevierteilt, Teil 1



                Hochzeit Brunichild und Sigebert
 
 
Eine wunderschöne Braut -
ein rauschendes Fest,
goldenes und silbernes Geschirr,
erlesene Speisen und Getränke!
 
 
Die Großen, geladen zum prächtigen Hochzeitsfest des austrasischen Königs Sigebert, sind geblendet, entzückt. Venantius Fortunatus der "letzte römische" und "erste mittelalterliche Dichter" italienischer Herkunft, (der spätere, heiliggesprochene Bischof von Poitiers), ist Gast am Metzer Hofe. Ein Gedicht aus eigener Feder erfreut das erlauchte Paar und die noblen Gäste
 
 

"Sonne, beleuchte den glücklichen Tag;

gieß du über ihn deine Strahlen

von heiterer Klarheit;

erfülle der Gatten Gemach

für uns geboren, Sigibert, und unser Glück

leistet er freudvoll den heiligen Eid. Von anderer

Liebe frei

erträgt er die süße Fessel. Sein lauterer Geist

bezwingt seine Jugend, wünscht dem Bunde die Reinheit..

Sigbert, du Liebender, den Brunhilds Feuer bedrängt ...

Dein hoher Adel erstrahlt, Tochter Athanagilds,

dessen Reich die Grenzen der Erde berührt.

Mit allen irdischen Gütern gesegnet regiert dieser

König sein Volk

in Spanien, mit Weisheit, die zu preisen sich lohnt."



Ja, "schön, klug, von umsichtigem Rat und angenehmer Gesellschaft" (lt. Gregor von Tours) ist sie, Brunichild, die Tochter des Westgotenkönigs Athanagild, trotz oder vielleicht wegen ihres jugendlichen Alters von 16 Jahren, bewundert, verehrt, geliebt. Eine weitere westgotische Schönheit weckt angesichts des Brautschatzes der Westgotin Brunichild Begehrlichkeiten. Chilperich I., König Neustriens, der seine angetraute Audovera vor nicht allzu langer Zeit verstoßen hatte, der Halbbruder Sigiberts (in offener Rivalität), "scheelen Auges" die Pracht des Metzer Königshofes neidend, im Hinbllick auf eine zu erwartende reiche Mitgift und die ebenfalls mit Schönheit gesegnete ältere Schwester der jungen Königin Austriens, wirbt er um die Gunst Gailswinthas und deren Hand, die ihm von Athanagild gewährt wird, unter der Prämisse des Versprechens Chilperichs, dass dieser die Beziehung zu der Kebse Fredegunde (seit etwa 565) beenden möge. So geschieht es, dass die schöne Gailswintha an den Hof von Soissons zieht, 567 heiratet und wenige Jahre später durch Mörderhand den Tod findet.
 
Fredegunde
 
Die Verstoßung der Audovera
 
  
Die Ermordung Gailswinthas
 
Niemand hatte es voraus gesehen: Weder Athanagild, der selbst nicht zimperlich zum Erreichen seines Königstums im Westgotenreich vorgegangen war (551-555 siegreicher Aufstand gegen König Agila I), weder der strahlende Schwager Sigibert, der geliebte König Austrasiens, noch dessen Ehefrau Brunichild, die gerne die Schwester als Königin von Neustrien sah.
Wer rechnete schon mit den erotischen Künsten der Fredegunde, einer Unfreien aus dem Gefolge der Audovera, die nicht daran dachte, ihre Machtstellung bei Hofe aufzugeben und es verstand, Chilperich zu umstricken und mit Intrigen zu blenden. Vorbei das leichte Spiel mit der sanften Audovera und den König zum Verstoß zu bewegen, aber Galswintha, die stolze Westgotin, ließ sich weder die Unbotmäßigkeiten der ehemaligen Magd bieten noch das ungebührliche Verhalten des Gatten und drohte in den Jahren 570/571, ihn samt ihren Schätzen zu verlassen. Der Verlust der Schätze - nicht auszudenken, Fredegunds Pläne reichten weit über das Morgen hinaus. Je entschiedener Gailswintha ihre Entschlossenheit bekräftigte, um so mehr reiften Mordgedanken in der bösen, machtgierigen Konkubine. Lange hatte sie nach der Krone der Königin getrachtet und niemand und nichts konnte sie davon abhalten. Athanagild, der Vater Gailswinthas, der Chilperich hätte in die Schranken verweisen können, war schon im Jahre der Hochzeit 567 verstorben. Der gedungene Mörder, ein Diener der Fredegund, erdrosselte oder erschlug (wer weiß es schon genau zu sagen) die etwa 21-jährige Königin in ihrem Bett. Maßloses Entsetzen erschütterte den Hof zu Metz, zumal die Nachricht von dem Tode Gailswinthas mit der Nachricht von der erneuten Eheschließung des Chilperich einherging, die Mörderin Fredegunde hatte die erste Etappe ihres Ziels erreicht. Trauernd schrieb Fortunatus seine "Gelesvintha-Elegie".
Brunichild, die aus Gattenliebe zum römischen Christentum konvertierte Arianerin, erbebte vor Zorn, dieser Frevel - Gatten- und Königsmord - konnte nur mit Blut der Mörder wieder reingewaschen werden. Das Maß der Schandtaten des Neustriers (durch den Tod Chlotars I. seit 561 mit ständigen Attacken, beginnend mit dem versuchten Raub des Königsschatzes und der versuchten Eroberung von Paris) war voll, Sigibert zog in den Krieg...
 
Vitry: Man schreibt das Jahr 575, Sigibert hat nach etlichen Schlachten und Kriegsjahren Chilperich (den einzigen Sohn Chlotars aus der Ehe mit Arnegunde) endgültig bezwungen, das Volk Neustriens jubelt im zu - dieser strahlende Held soll ihr König sein, man hebt ihn auf die Schilde - eine übliche Form der Königserhebung - da dringen von 2 Seiten gedungene Mörder auf ihn ein und töten den Sieger mit vergifteten Dolchen (Skramasax), zurück bleibt Brunichild mit dem unmündigen 5-jährigen Söhnchen Childebert II. Fredegund hat die zweite Etappe ihres Ziels erreicht, auch mit der Verbannung Brunichilds und ihres Sohnes nach Rouen.

Doch Chilperich hat sich einen Widersacher eigenen Blutes geschaffen, Merowech, der älteste Sohn (nach dem Tod Theudeberts) aus der Ehe mit Audovera zieht 576, von einem Feldzug nach Poitiers kommend, in Rouen ein und schließt die Ehe mit der Königinwitwe Brunichild.
War es Bischof Praetextatus von Rouen, der den jungen Merowinger zu Hilfe rief oder war es Brunichild selbst? Dazu schweigen die Quellen. Ganz sicher kamen Merowech die Pläne Brunichilds und des Bischofs von Rouen den eigenen sehr entgegen. Das Schicksal der eigenen Mutter Audovera vor Augen, die in einem Kloster in Le Mans ihr Leben fristete, kannte er die Wankelmütigkeit des Vaters unter dem Einfluss der königlichen Mörderin. Mit Hilfe der Königinwitwe Austriens wäre er fähig gewesen, ein eigenes Königtum anzutreten, das ehemalige große Reich Sigiberts, um Chilperichs Treiben in die Schranken zu weisen. Ganz sicher konnte er sich dabei auf den Bischof von Rouen stützen, seinen Patenonkel, der ihn und Brunichild auch getraut hatte und den Adeligen Boso Guntchram, den wir später (im Jahre 585) allerdings als Räuber und Grabschänder im austrasischen Reich sehen werden.
Der wahrscheinlich von Merowech inszenierte Aufstand in der Champagne, die Empörung des Volkes von Rouen gegen Chilperich und nun die Eheschließung mit Brunichild lassen den neustrischen König die Bedrohung aus dem eigenen Lager erkennen und blitzschnell handeln. So kann Merowech dem zürnenden Vater nicht entgehen, der ihn von Brunichild trennt. Leib und Leben der Königswitwe selbst und das des minderjährigen Königs Childebert II. aber wagt Chilperich nicht anzutasten Verzweifelt, jedoch vergeblich versucht Merowech immer wieder zur Angetrauten zu stoßen: Das zögerliche Verhalten der Austrasier, die sich der wahren Absichten des Neustriers nicht sicher sind und letzlich die Ermordung Merowechs im Jahre 577 (im Auftrag Fredegundes) ziehen einen Schluss-Strich unter die kühnen Pläne des merowingischen Prinzen.
 Fredegund hatte eine weitere Etappe auf dem Weg zu ihrem Ziel gewonnen.
Aber ihrer größten Widersacherin und Feindin Brunichild war die Flucht nach Austrasien gelungen.(Ende des 1.Teils)
 
 
Merowech
 


 

Sonntag, 27. April 2014

Haie und kleine Fische




Nightmare – eine Vorstellung, die das Blut in den Adern gefrieren lässt:

Schrecklicher Alptraum –  Menschen -  nur ihre Torsi, denen Arme und Beine abgetrennt wurden – liegen hilflos verblutend im Wüstensand, ein elender Tod – fast im Sekundentakt sterben drei und die Welt schaut zu. Totentanz!


Während ich dies schreibe sind im Laufe des Jahres 200 Millionen Lebewesen gestorben und die Grausamkeiten finden kein Ende! Es ist, als würden täglich immer mehr Menschen ihrer Arme und Beine beraubt, weil ganzen Völkern suggeriert wurde, diese Extremitäten wären schmackhaft und würden zu Heilzwecken oder als Potenzmittel dienen.

 
Du Mensch, findest das grotesk und widerlich?  - Und doch verursachen wir solche Greuel. Es geschieht tagtäglich an unseren ältesten Mitgeschöpfen in den Meeren, den Haien, die seit 400 Millionen Jahren die Meere bewohnen und damit - älter als die Dinosaurier - deren Lebenszeit in der Erdgeschichte weit überlebten.
 
 
                                                        Riffhai (Wikipedia gemeinfrei)   
 
Während ich dies schreibe erkenne ich mit Erschrecken wie wenig wir eigentlich über Haie wissen. Die Mär vom mordenden bestialischen weißen Hai, der blutrünstig und gierig nach Menschenfleisch die Meere durchstreift, geistert immer noch durch die Köpfe, festgesetzt auch durch reißerische Filme wie jener durch sensationslüsterne Effekthascherei geschwängerte  „Der weiße Hai“.
Natürlich sind Haie wilde Tiere, ebenso wie Wildschweine, Löwen und Tiger. Während aber die Felle von Löwen und Tigern Wärme suggerieren, ist  uns der Hai fremd geblieben, sein mit Zähnen bewehrtes Maul flößt Angst und Schrecken ein, seinen Lebensraum teilen wir nicht.
 Während ich dies schreibe überlege ich wie das Wesen, der Knorpelfisch Hai, wirklich lebt, wie es evtl.seine Kindern in die Kunst des Lebens und Überlebens einführt.  500 verschiedene Arten dieser Meeresspecies gibt es, von denen die meisten von Plankton leben, manche auch von kleinen Fischen und einige, wie der weiße Hai, auch von Robben, da er als Warmblütler fähig ist, diese Tiere zu bejagen.
 Während ich dies schreibe bedenke ich die Tatsache, dass Haie erst mit 30 Jahren zur Geschlechtsreife gelangen und nur alle zwei bis drei Jahre Junge gebären oder manche Arten auch Eier in einer dicken Hülle in Seetang oder Felsspalten ablegen, zum Schutz vor Raubfischen. Die Embryos ernähren sich vom Dottersack, nach dem Schlüpfen sind die jungen Haie auf sich allein gestellt.
 
                          Haifischeier - kurz vor dem Schlüpfen (Wikipedia c) Dirk Hoffmann)
 

Während ich dies schreibe erstaunt mich die Information, dass Haie keine Schwimmblase besitzen, ihr Auftrieb nur mit Hilfe ihrer stark ölhaltige Leber erfolgt und sie aus diesem Grund ständig in Bewegung bleiben müssen. Es erstaunt mich, dass die Natur auch Ruhehöhlen in den Meeren für Haie bereit hält, die durch besondere Wasserverhältnisse
den Haien ermöglicht, ohne ständige Bewegung zwar nicht zu schlafen, aber zur Ruhe zu kommen.
 
Während ich dies schreibe überlege ich, wie wenig wir, die wir die Arten retten wollen, die wir das Töten selbst als widerwärtig empfinden und zum Schutz der Haie eintreten, über diese äußerst interessante Spezies wissen. Aber wie viel weniger wissen die Helfershelfer der mörderischen Fischerei-Industrie, das bestätigten Taucher, die sich mit chinesischen Helfern  in den Haiwelten bewegten
 
 
                                       Walhai, die größte Haiart (c) Wikipedia . gemeinfrei
 
 
Wissen ist Macht, Information und Aufklärung ihr wichtigster Bestandteil
 
Überprüfen wir unsere eigenen Vorurteile auf ihre Richtigkeit:
 
Haie gibt es zu viele -  falsch
Im Gegenteil viele Arten sind schon fast ausgestorben, wie z.B. die Dorn- und Zitronenhaie, die stark im europäischen, aber auch besonders  im amerikanischen Raum als bevorzugter Leckerbissen, wie der „Schillerlocke“ auf dem Speisezettel stehen. Andere Arten werden demnächst  aus den Meeren für immer verschwinden.  Die sog.“ Beifänge“, bedingt durch die im großen Stil meeresplündernden industriellen  Abfischungen, haben in den letzten Jahren den Bestand der großen Meerestiere aufs Äußerste dezimiert.  Neuere Forschungen der Universität Halifax haben ergeben, dass etwa 80 % der Hochseehaiarten bereits ausgestorben sind. 
 
Haie sind dumm -  falsch
Die hochspezialisierten Haie – mit 7 Sinnen ausgestattet –  zeigen sich als äußerst sensible, schlaue Tiere, die z.B. besser sehen als Katzen und über einen besseren Geschmackssinn verfügen als Menschen und sogar sich durch Gesten untereinander bemerkbar machen können, also ein soziales Verhalten zeigen.
 
Haie sind böse aggressive, Menschenfresser - falsch
Man kann von durchschnittlich weltweit 12 Haiunfällen im Jahr ausgehen, ebenso viele wie bei Unfällen mit Elefanten. In dieser Zeitspanne sterben weit mehr Menschen durch einen Blitzschlag; denn Menschen stehen nicht auf dem „Speiseplan“ des Hais.
 
Haie sind  Fressmaschinen - falsch             
Haie fressen oft viel weniger, als andere Tiere und nur so viel wie sie zu ihrer Ernährung brauchen. Bei manchen Arten ist  der Organismus ist so eingerichtet, dass sie Futter auf Vorrat einlagern können, andere wiederum können sechs bis sieben Tage ohne Nahrung leben.                         
                         
Haie sind unwichtig - falsch
Sterben die Haie, sterben allmählich die Meere. Das Meer durchfließt die Haie, sie sind die wichtigsten Meeresfilter . Ein Korallenriff ohne Haie erlischt innerhalb eines Jahres.
 
Es würde dicke Bücher füllen,  um mit allen menschlichen Vorurteilen, insbesondere jenen, die seit dem 19. Jahrhundert entstanden sind, aufzuräumen.
 
Was mich entsetzt:
 
Haifischflossen-Handel
Als Hauptakteure im Handel mit Haiflossen erweisen sich die EU-Staaten,  in vorderster Front Spanien und Portugal, sie  sind damit hauptverantwortlich für das Hai-Desaster, denn 54 % des Geschäftes mit Haiflossen werden in der EU getätigt, die dadurch den 80 %igen Rückgang der entsprechenden Haiarten zu verantworten hat.
 
Sportfischerei, Hai-Jagd
Schätzungen sprechen davon, dass alleine vor der Ostküste der USA 2,5 Millionen Haie von sog. Sportanglern gefangen werden. Es gilt dabei als höchste „Disziplin“ einen Tiger- oder Blauhai zu besiegen, ein Ritual, das sich auf folgende Weise abspielt:
Entweder werden die Haie so lange am Haken mit dem Boot mitgezogen oder mit einer scharfen Harpune solange traktiert, bis sie verenden. Ein weiteres Freizeitvergnügen der gelangweilten „reichen und schönen“ Sporttaucher ist sehr beliebt, nämlich kleine Haie mit einer Harpune zu töten. Verbote dieser grausamen Sportfischerei werden umgangen, indem diese lebenverachtenden Angler und Taucher in andere Gegenden abwandern, die dieses mörderische Vergnügen erlauben. Als Gipfel dieser Unterwasser-Jagden werden die Haizähne oft nach gelungenem „Kampf“ als Trophäe um den Hals getragen.
 
Das einzig Erfreuliche:
Seit 2012 hat die EU das Abtrennen der Haiflossen – also das Finning – auf offener See verboten, die ganzen, ungeteilten toten Körper müssen in den Häfen angelandet werden. Diese Maßnahme verhindert zwar nicht endgültig das Haifinning, aber eine Kontrolle über die Anzahl der getöteten Haie und die Fangzahlen  ist auf diese Weise  möglich.
  
Resümee:
Wir sind verpflichtet, uns mehr über diese interessante Spezies zu informieren, denn sie sind wesentlich älter als wir, ihre Evolution begann vor 400 Millionen Jahren, die des Menschen vor lächerlichen knappen  7 Millionen.
Sie filterten die Meere, sorgten schon für deren Gleichgewicht im empfindlichen Ökosystem bevor die Menschheit den blauen Planeten bevölkerte und ihn zu zerstören begann. Mehr Wissen ist angesagt: Treten wir Ignoranz und Arroganz entgegen, klären wir auf, und zeigen wir unserer MIT-Welt - auch China -  wie unwirksam z.B. die traditionelle chinesische Medizin ist, dass für den Placebo-Effekt des „Hai-Knorpel-Pulvers“  auch ein Glas klaren Wassers genügt. Zeigen wir, dass es für Menschen ethisch nicht vertretbar ist, diese wichtigen Meeresbewohner nur für einen Teller verkochter, quecksilberbelasteter Knorpelmasse zu massakrieren.  
Ausrottung der Haie – Zerstörung der Meere – Tod der Menschheit.
  
Der Hai  – ein schutzbedürftiges Mitgeschöpf.
Der Mensch – der fressgierigste Räuber des Planeten, geistig nur ein kleiner Fisch.
 


 
 
 
 Elke Gelzleichter April 2014

 
 

 
 


 
 
 
 
 
 

 
 

Donnerstag, 10. April 2014

Vegetarisch glücklich - selig vegan

 




Aus "Chefkoch" Foto c) Schrat

Kleine Abhandlung über die Geschichte der fleischlosen Ernährung

Ein gestandener Mann braucht ein Stück Fleisch auf dem Teller!“ „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft!“
Wer kennt sie nicht, diese losen Sprüche, schnell und bedenkenlos dahin gesagt, Floskeln, gespickt mit z.T. gefährlichen Irrtümern und ohne Wahrheitsgehalt; denn sie implizieren die Behauptung, dass der Tod von Tieren menschliches Leben und Gesundheit fördert.
Mittlerweile sieht auch die Wissenschaft nicht mehr in der fleischlosen Kost eine exotische Ernährungsvariante einiger irregeleiteter menschlicher Spezies oder gar eine „psychische Erkrankung junger Frauen“, wie das angebliche Ergebnis einer Auftragstudie (wahrscheinlich der Fleischindustrie) zu vermelden wusste, sondern eine ernst zu nehmende, wichtige, der Gesundheit dienende Entscheidung von Menschen, die sich ihrer Verantwortung für die Mitwelt bewusst geworden sind.
Dabei ist Vegetarismus keine Erfindung der Neuzeit, schon in der vorchristlichen Antike in Europa (unabhängig davon auch in Indien) wurde der Vegetarismus als „Enthaltung vom Beseelten“ bezeichnet, Mythen erzählen von einem märchenhaften Volk, den Lotophagen, die als Nahrung ausschließlich die süße Frucht der Zauberpflanze Lotos genossen hätten wie Herodot behauptete, aber kein geringerer als Homer berichtete zuerst von diesem friedfertigen Naturvolk. Auch Diodor beschreibt „Holz-, Samen- und Wurzelesser“ in Äthiopien. Neben der positiven Bewertung der fleischlos lebenden Völker, die als friedfertig, gerecht und fromm beschrieben werden, berichten sowohl Hesiod (Werke und Tage), Platon (Staatsmann), Ovid (Metamorphosen) in ihren Werken über ein sagenhaftes „Goldenes Zeitalter“, in dem die Erde noch alles an Nahrung selbst hervorbrachte ohne Zutun des Menschen, der sich ausnahmslos fleischlos beköstigte. Ab dem 6. vorchristlichen Jahrhundert wird Vegetarismus als historisches Phänomen bezeugt. Die religiöse Bewegung der Orphiker und die Anhänger des Pythagoras lehnten Eier und die damals allgemein üblichen rituellen Tieropfer ab; ihre Seelenwanderungslehre führte zu einer höheren Wertschätzung des Lebens der Tiere, Emphedokles gar trat im 5. Jahrhundert v. u. Z. als radikaler Vertreter des Vegetarismus und für die Verschonung aller Tiere hervor, zudem schrieben die antiken Vegetarier der Fleischnahrung nachteilige Auswirkungen auf asketische und philosophische Bestrebungen zu, in ihrer ethisch-religiösen Motivation verwarfen sie Tieropfer und betonten die Gemeinsamkeit zwischen Tieren und Menschen. Die Frage nach den ethischen Pflichten gegenüber den Tieren wurde damals wie heute kontrovers diskutiert. Die Philosophenschule der Platoniker zeichnete sich durch einen hohen Anteil an Vegetariern und Tierfreunden aus, während sich in anderen Schulen, wie die der Epikureer, der Stoiker und Peripatetiker kaum oder gar keine fleischlos lebenden Schüler befanden. In ihrem extrem anspruchslos Leben verzichteten die Kyniker auf Fleisch, aber ohne diese Einstellung zum Prinzip zu erklären. Zu erwähnen wären noch die Manichäer, deren innerer Kreis (ähnlich wie bei den späteren christlichen Katharern des beginnenden zweiten Jahrtausends) die Electi („die Auserwählten“), nicht töteten, ganz auf Fleisch, grundsätzlich auf Eier verzichteten, während für den breiteren äußeren Kreis der Gemeinschaft die Ernährungsvorschriften nicht ganz so streng gehandhabt wurden.
Bei der Behandlung von Christentum und seine Stellung zum Vegetarismus stellt sich die Frage der Fragen: War jener Mann namens Jesus, der schon seit über 2000 Jahren die Gemüter der Menschen des ganzen Erdballs beschäftigt, war jener Jeshua mit den Ehrennamen Christus – Erlöser/Erretter, mit denen ihn seine einstigen Zeitgenossen bedachten, Vegetarier? Viele „moderne“ Christen bezweifeln bzw. bestreiten diesen Umstand, aber es gibt noch alte Schriften, die nicht verloren gegangen sind und eindeutig den Vegetarismus der Jünger Jesu, der Apostel, belegen und damit auch den Vegetarismus des Wanderpredigers, der im weißen Bräutigamskittel das damalige Palästina durchzog und seine Lehre von Liebe und Frieden predigte. Die Frage erklärt sich fast von selbst zieht man die Residuen der alten außerkanonischen Texte zu Rate wie z.B. die der „Pseudoklementinen“, die von Petrus selbst stammen sollen. Hier ist eindeutig in Predigt XII zu lesen: „Das widernatürliche Essen von Fleisch ist ebenso vergiftend wie die heidnische Anbetung von Teufeln mit ihren Opferungen und unreinen Festen. Durch Teilnahme wird der Mensch zum Tischgenossen von Teufeln“. Und was sagt der Apostel zur eigenen Ernährung? „Ich lebe von Brot und Oliven, denen ich nur selten ein Gemüse zufüge.“ Weiterhin beschreibt Clemens von Alexandria (*150 in Athen, + 215 Kappadokien) in seinem Werk Padaigogòs („der Erzieher“), dass der Evangelist Matthäus hauptsächlich von Pflanzenspeisen gelebt und nie Fleisch berührt habe (Padaig. II,1). Ein weiterer früher Kirchenvater, der Bischof Eusebius von Caesarea (264–349), zitierte in seiner Kirchengeschichte (II,2,3) einen der frühesten Kirchenschriftsteller Hegesippus (*100, +180 in Jerusalem), nach dessen Niederschrift der Apostel Johannes niemals Fleischkost genossen habe. In der gleichen Quelle wird Jakobus der Jüngere (nach Hegesippus ein Vetter Jesu, Sohn des Klopas/Alphäus eines Bruders des Joseph, oft auch mit dem Beinamen der Gerechte betitelt), als heilig von Mutterleib an beschrieben, der keinen berauschenden Getränken zusprach, und nichts verzehrte, was beseelt war (II,23,5.6). Dass dieser erste Führer der jüdisch-christlichen Gemeinde Jerusalems, zweifelsohne ein sehr naher Verwandter des Jesus von Nazareth, nach heutigen Begriffen vegetarisch lebte, kann als eindeutiger Beweis für eine gleichfalls fleischlose vegetarische Ernährung des Jesus von Nazareth gewertet werden, dabei ist es vollkommen belanglos, ob Jesus der Essaier-Gemeinschaft angehörte oder nicht. Sein „letztes Abendmahl“, bei dem sich offenbar kein Fleisch auf der Seder-Platte befand; denn er verteilte Brot und Wein mit den bekannten Einsetzungsworten unter die Jünger, spricht ebenfalls für einen vegetarischen Jesus.
Drei weitere nachchristliche wichtige Zeugen des vegetarischen Lebens der frühen Christen sollen nun sozusagen als Zeugen benannt werden, bevor auf die gewaltsame Veränderung des vegetarischen Christentums in die heutige Form der fleischverzehrenden christlichen Kirche eingegangen werden soll. Ein weiterer der ältesten „lateinischen“ Kirchenväter bzw. -stifter Tertullian (160-222) teilt um etwa 200 die jungen christlichen Gemeinden sogar in zwei Gruppen: In die „wahren“, fleischlos lebenden Christen und in die „Leiber ohne Seelen“, die ähnlich wie Paulus, Fleisch und Alkohol nicht abgeneigt waren (obwohl Paulus selbst – wie im Toledot Jeshu überliefert – davon berichtete, dass Jesus (posthum) ihm angeordnet habe, dass er enthaltsam, ohne Alkohol und Fleischverzehr, leben müsse, bevor er in Kontakt mit ihm treten könne).
Wenn wir den kenntnisreichsten „lateinischen“ Kirchenstifter, den wir in Hieronymus von Stridon finden, dem Schöpfer der „Vulgata“, sprechen lassen wollen, so erfahren wir von ihm, dass er sich gegen die Anordnungen des Papstes Damasus I. auflehnte, der von ihm eine Übersetzung der gesamten Texte der Bibel fordert. Die Begründung des Heiligen, dass er zwar die alten Sprachen verstehe, da sich aber die Sprache verändert habe, er nicht wisse, was die „Alten“ gemeint haben, ob er es richtig interpretieren würde und gezwungen sei, sozusagen eine völlig neue Bibel zu schaffen, ließ der Papst nicht gelten. So war Hieronymus zwar das große Werk gelungen, aber es bestehen Zweifel darüber, wieviele der alten Texte dem Geheiß des Damasus zum Opfer fielen. Jedenfalls wusste Hieronymus von der fleischlosen Ernährung der frühen Christen und des engsten Kreises um Jesus und sprach z.B. von „cibi innocentes“, den unschuldigen Speisen, die ohne Blutvergießen gewonnen werden. Deutlicher erfährt man sein Wissen durch die Sätze: „ Der Genuss von Tierfleisch war bis zur Sintflut verboten; seit der Sintflut aber gibt man uns die Nerven/Fasern und den stinkenden Saft des Fleisches unter die Zähne, gleich wie man dem murrenden Volk in der Wüste Wachteln vorwarf. Jesus Christus, der am Ende der Tage gekommen ist, hat das Ende an den Anfang (Genesis 1, 29-30) zurückgeführt, so dass es uns heute nicht mehr gestattet ist, Fleisch zu essen“ (Lib. I, Adversus Jovinian). „Der Leib, der mit Fleischspeisen beschwert wird, wird von Krankheiten heimgesucht; eine mäßige Lebensweise macht ihn gesünder und stärker und schneidet dem Übel die Wurzel ab: Die Dünste der Fleischspeisen des Geistes“. Diese Aussage könnte evtl. von einem Wissenschaftler der Neuzeit stammen, ist aber die Erkenntnis des Hl. Basileus, eines der frühen Kirchenlehrer, der von 330-379 lebte.
Die Rolle Konstantin des Großen, des Heliosverehrers, der sich aller Wahrscheinlichkeit nach – wenn überhaupt - erst auf dem Totenbett zum Christentum bekehrte, sich selbst als „Sol invictus“ betrachtete (im Grunde in Konkurrenz zu Jesus) und sich deshalb auch als „Bischof der inneren Ordnung“ auf dem Konzil zu Nicäa 325 verstand, ist nicht zu unterschätzen und von tief greifender Entscheidung. In dieser Position griff er in den „Arianischen Streit“ ein, entschied nach seinem eigenen Geschmack und Dafürhalten, welche Evangelien in den biblischen Kanon eingebunden werden sollten und begann eine verheerende Verfolgung der christlichen Vegetarier, denen oftmals zur Strafe der Hals mit Blei ausgegossen wurde. In der Folge lebten Vegetarier gefährlich, Die kirchliche Hybris erreichte ihren Höhepunkt im Bannfluch des Papstes Johannes III, (561-574) der auf der 1. Synode von Braga (Portugal) Vegetarier mit einem Anathem belegte:“Wenn jemand Fleischspeisen, die Gott den Menschen zum Genuss gegeben hat, für unrein hält …. und auf sie verzichtet ….sei er mit einem Bannfluch belegt“. Vegetarisch lebende Christen mussten fortan um ihr Leben fürchten, sie wurden bekämpft und ausgelöscht, das gravierendste Beispiel die vegetarischen, urdemokratisch lebenden Katharer, einer christlichen Bewegung hauptsächlich im Süden Frankreichs zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert. Nach etwa einjähriger Belagerung der Katharer-Burg Montségur von 1243 bis zum Frühjahr 1244, mussten die Besatzung der Burg aufgeben, 225 Katharer, die nicht ihrem Glauben abschwören wollten, wurden lebendigen Leibes verbrannt.
Konstatin der Große - Kolossalstatue c) Wikipedia Röm. Museen

 


 
Von dem kleinen Heiligen, Franziskus von Assisi, wird zwar immer wieder behauptet, dass er nicht fleischlos gelebt habe, doch diese Behauptung kann den überlieferten Tatsachen nicht standhalten: Seine eigenen Aussagen und viele Erzählungen um und über Franziskus beweisen das Gegenteil, darunter auch die rührende Geschichte, dass er einmal einer Fischhändlerin zwei Fische abkaufte, um „Schwester Schleie“ wieder in ihr ursprüngliches Element freizulassen.
Es dauerte nun bis zur frühen Neuzeit, bis wieder prominente Persönlichkeiten für einen ethisch motivierten Vegetarismus eintraten, Namen wie Leonardo da Vinci und Pierre Gassendi im 15. und 16. Jahrhundert sind hier hervorzuheben, der Engländer Thomas Tyron im 17. Jahrhundert. Ab Beginn des 18. Jahrhunderts breitete sich die Idee des Fleischverzichts in der Ernährung besonders im angelsächsischen Raum aus, die schließlich in die Gründung des ersten Vegetariervereins in London im Jahre 1801 mündete, dem bald ähnliche Gruppierungen in anderen Städten folgten. Im 19. Jahrhundert zeigte sich als prominentester Wortführer des ethisch motivierten Vegetarismus der Dichter Shelley. Als sehr prominenter Repräsentant in der englischen Öffentlichkeit erwies sich ebenfalls George Bernhard Shaw, in Russland machte sich Lew Nikolajewitsch Tolstoi für die fleischlose Ernährungsweise stark. In Deutschland gilt Gustav Struve als Begründer des Vegetarismus, der 1868 für Stuttgart und Umgebung den ersten vegetarischen Verein gründete, der heute noch besteht. In der Vielzahl von Gruppen, Vereinen und Initiativen, die sich nun bildeten kristallisierten sich immer stärker die Aspekte des Tierschutzes heraus, eine sog. „Veredelung“ des Menschen durch Fleischverzicht wurde für möglich gehalten, der prominenteste Vertreter dieser Strömung zeigte sich in Richard Wagner, der die allgemeine Abkehr vom Fleischverzehr und von den Tierversuchen forderte. 1946 wurde die Vegetarier-Union Deutschlands gegründet, ab 1985 unter dem Namen Vegetarier-Bund Deutschlands bekannt, 2008 umbenannt in Vegetarierbund Deutschland.
Durch den Einfluss des Doktors von Lambarene, des Pfarrers, Musikers und Arztes Dr. Albert Schweitzer, der sich seit seiner Jugend sehr intensiv mit der tödlichen Gewalt gegen Tiere auseinander setzte, erfuhr die Behandlung dieser ethischen Problematik immer mehr Beachtung, das von Albert Schweitzer entwickelte Prinzip der „Ehrfurcht vor dem Leben“ spielt gerade auch in heutiger Zeit eine immer größere Rolle bei der Ausbildung des ethischen Bewusstseins, ebenso wie Gandhi, einem weltweit bekannten Vertreter der Gewaltlosigkeit und Befürworter des Vegetarismus.
Eine ganz andere Qualität, ja eine Zäsur, erfuhren Tierschutz- und Vegetarismusbewegungen 1975 mit dem Erscheinen des Buches „Animal Liberation“ von Peter Singer mit der Argumentation, dass es keine moralische Rechtfertigung gäbe, die das Leid eines Wesens, gleich welcher Natur es sei, nicht in Betracht zu ziehen. Spezielle „nichtmenschliche Tiere“ (zum Beispiel sog. „Nutzvieh“) vom Gleichheitsprinzip auszuschließen, wäre ebenso willkürlich wie Menschen anderer Hautfarbe, Religion oder wegen Geschlechtes davon auszunehmen. Helmut F. Kaplan, ein Mitbegründer der Tierschutzpartei, betont die wichtige strategische Position des Vegetarismus zur Förderung des Veganismus („wer Veganer will, muss den Vegetarismus fördern“), der, über die fleischlose Ernährung hinaus, auf alle tierischen Produkte, auch von lebenden Tieren, verzichtet.
Die gute Nachricht: Schätzungen zufolge erfährt die vegetarisch/vegane Bewegung weltweit einen täglichen Zuwachs von 4000 Menschen, das bedeutet täglich 4000 Schritte in die richtige Richtung auf einen guten Weg zur gemeinsamen leidfreien Zukunft von Menschen und Tieren, Zeiten, die schon in den uralten Texten der Bibel prophezeit wurden, in denen der Löwe Stroh frisst und ein Kind ihn hüten kann, so wie es schon zu allen Zeiten viele „großen Geister“ der Menschheit ausdrückten, wie z.B.:

Pythagoras:
Reichtum spendet die Erde,
verschwenderisch friedsame Nahrung,
und sie gewährt euch Gerichte,
die frei sind vom Mord und vom Blute“.

Leonardo da Vinci
Ich habe schon in jüngsten Jahren
dem Essen von Fleisch abgeschworen,
und die Zeit wird kommen, da die Menschen -
wie ich – die Tiermörder mit gleichen Augen
betrachten werden, wie die Menschenmörder“.

Ferdinand August Bebel – Mitbegründer der SPD
Offenbar tritt in dem Maße wie die
Kultur sich hebt, an die Stelle der
Fleischkost die Pflanzenkost.“
  

Text c) Elke Gelzleichter 2013
 
 
 Patrik Baboumian, "Strong Man"    2013 Veganer
 
n.b.:Wussten Sie, dass Vegetarier/Veganer mehr für Klima- und Umweltschutz tun als noch so hoch motivierte Fleischesser, die Produktion eines Kilogamm Rindfleisches erfordert 9000 bis 20000 Liter Wasser, die von Gemüse und Getreide gleichen Gewichtes im Schnitt etwa 1500 Liter.
Wussten Sie, dass Vegetarier/Veganer eine höhere Lebenserwartung haben als Fleischesser (im Durchschnitt eine etwa 15 Jahre längere Lebenszeit).
Wussten Sie, dass die Ursächlichkeit der sog. Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gicht, dementielle Syndrome und Krebs von vielen Wissenschaftlern auf den extremen Fleischverzehr in der heutigen Gesellschaft zurückgeführt wird?